In knapp acht Kilometern Flughöhe über der norddänischen Stadt Hanstholm fordert Lieutenant Jared H. über Funk die Genehmigung für einen Sinkflug bis auf eintausend Fuß –rund 300 Meter— an und lässt gleichzeitig den laufenden IFR-Flugplan seiner P-3C Orion über Funk schließen. Das Seefernaufklärungs- und UJagd-Flugzeug der Deutschen Marine ist vor knapp einer Stunde auf dem Heimatflugplatz Nordholz gestartet und unter ziviler Radarführung, nach so genannten Instrumentenflugregeln (IFR), bis zu seinem Übungsgebiet ins Skagerrak, dem Seegebiet zwischen Norwegen und Jütland, geflogen.
Von Nordholz Richtung Skagerak
Jetzt ist es auf sich alleine gestellt, muss Luftraum und Flugführung selbst überwachen, fliegt sozusagen auf eigenes Risiko. Jared H., Kommandant des Flugzeugs und Austauschpilot der US-Navy bei der Deutschen Marine, zieht langsam die Leistungshebel der vier Rolls-Royce-Propellerturbinen zurück, die Orion nimmt die Nase runter, der Sinkflug beginnt und endet nur wenige hundert Meter über der grauen Wasseroberfläche, auf der von Horizont bis Horizont nicht ein einziges Schiff auszumachen ist.
Taktische Besatzung übt Uboot-Jagd mit Simulator
Hinten im Flugzeug sitzt die taktische Besatzung längst vor ihren Konsolen, der Übungs-Auftrag fordert ein Uboot in den Weiten des Skagerraks aufzuspüren und zu lokalisieren.
Um ein mögliches Übungsergebnis aber nicht dem Zufall zu überlassen, und da ein echtes Uboot als Übungsgegner nicht zur Verfügung steht, stößt die Orion durch ein Ausstoßrohr ein so genanntes Ematt aus, dass an einem Fallschirm baumelnd auf die Wasseroberfläche aufschlägt und dann sofort verschwindet.
Das Ematt sieht aus wie ein Torpedo, ist aber so eine Art vollautomatisches Mini-Uboot, dass täuschend echt die Geräuschsignatur eines großen Uboots simulieren kann, und nach einem vorher programmierten Plan durch das Übungsgebiet im Skagerrak taucht. Und dieses Ematt getaucht wieder zu finden, spornt natürlich den Ehrgeiz der Orion-Besatzung an.
Stunden vor dem Flug wurde unter Leitung von Korvettenkapitän Kai H., der als Tacco –Tactical Coordinator— Chef der taktischen Crew an Bord ist, ein umfangreicher Suchplan ausgearbeitet, nach dem das Seegebiet auf festgelegten Streifen abgeflogen wird. Mit den verfügbaren Flugzeug-Sensoren, dazu gehören neben einer Wärmebild-Kuppel, einem Suchradar und dem AN/ALR-95-System zur elektronischen Kampfführung, auch 87 Sonarbojen, die vom Flugzeug ausgestoßen werden und über so genannte Hydrophone Unterwassergeräusche aufnehmen können, und dann in Echtzeit an die Orion übertragen. Dort sitzen erfahrene U-Jagdspezialisten der Deutschen Marine an den Konsolen, zeichnen mögliche Geräusche auf und versuchen diese zu identifizieren. Man könnte es durchaus auch lauschen nennen, die „Jagd auf Roter Oktober“, dem berühmten Buch von Tom Clancy, lässt grüßen.
Die P 3-C Orion ist das größte taktische Flugzeug der Bundeswehr
Elf Mann bzw. Frau-Besatzung hat so eine P-3C Orion. Neben zwei Flugzeugführern, zwei Technikern, dem Tacco und dem Navigationsoffizier, der gleichzeitig auch für die Funkübermittlungen verantwortlich ist, gehören drei Überwasser- und zwei Unterwasseroperateure der Crew an. Bei langen Flügen, die Orion kann bis zu zwölf Stunden in der Luft bleiben, werden die Besatzungen häufig um einen weiteren Piloten verstärkt.
Seit 2006 betreibt die Deutsche Marine acht „Maritime Patrol Aircrafts“ dieses Typs, der damals die Brequet Atlantic ablöste. Allerdings wurden die Flugzeuge gebraucht bei der Niederländischen Marine gekauft, jedoch technisch umfangreich nachgerüstet.
In regelmäßigen Abständen werden deutsche Orions von Djibouti aus zur Piratenbekämpfung am Horn von Afrika und dem Indischen Ozean eingesetzt. Da dies aber eine besondere Art von Überwassereinsatz ist, die Orions aber auch Uboote jagen können, müssen regelmäßig Übungen dafür vor allem in der Nordsee und dem Nordatlantik organisiert werden.
Ein langer Arbeitstag geht zu Ende
Sechs Stunden bleibt die Orion mit der Seitennummer 60+08 im Übungseinsatz über dem Skagerrak, bis Tacco Kai H. den Einsatz beendet. Das Ematt, die deutsche Bezeichnung dafür lautet übrigens „Übungsgerät Ubootangriff“, konnte von der Crew gleich mehrfach aufgefasst und lokalisiert werden. Ein echtes Uboot wäre in einem bewaffneten Konflikt dann mit Torpedos bekämpft worden.
Jetzt „regiert“ in der Orion wieder die Cockpitbesatzung, die nämlich während der Einsätze oder Übungen ausschließlich nach den Anweisungen des Taccos und Navigators fliegen. Vorne, auf dem linken Sitz, hat inzwischen Kapitänleutnant Karim K. die Fliegerei übernommen. Über Funk fordert er einen so genannten radar pick up an, so dass die Orion in den Steigflug gehen kann und von der zivilen Flugsicherung zum Heimatflugplatz geführt wird. Knapp eine Stunde später wird auch der erreicht, aber das Wetter ist noch schlechter geworden, die Landebahn ist im Anflug kaum noch auszumachen. „Eigentlich“, so Kommandant Jared H., „wollten wir noch ein paar Starts und Landungen machen, aber die Wetterbedingungen sind zu schlecht dafür.“
Die taktische Besatzung ist nicht undankbar dafür, denn letztlich geht so oder so ein langer Arbeitstag zu Ende. Seit etwa 13 Stunden ist die Crew im Dienst, denn auch die Flugvorbereitung dauert mit mehreren Briefings rund vier bis fünf Stunden. „Aber immerhin“, so Tacco Kai H., „wir sind erfolgreich gewesen und haben unser Übungsziel gleich mehrfach aufgespürt.“
Kommentar hinterlassen