Schöner campen: Auf ins Baltikum

Das Baltikum ist ein Camping-Reiseziel erster Güte: Ein Vielzahl guter Campingplätze in schönen Naturlagen bieten beste Voraussetzungen

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Schön an der lettischen Küste. Fotos: Henze, Sopha

„Ich weiß gar nicht, wie das geht“, krähte lautstark die ausgesprochen ansehnliche junge Dame über den Campingplatz Tehumardi auf der estnischen Insel Saaremaa. Sekunden erst zuvor hatte sie die Klappe zum Fäkalienbehälter ihres Wohnmobils geöffnet. Und es kam, wie es absehbar war, in Kompaniestärke setzten sich gereifte maskuline Wohnmobilisten aus dem Umfeld in Marsch, um der hilflosen Dame beim Wegtragen ihrer S…… Unterstützung angedeihen zu lassen. Von meinen fröhlichen Zuckungen ob dieser Darbietung erschüttert, wäre fast mein Campingstuhl unter mir zusammengebrochen. Wobei, gilt es festzustellen, dass die „B-Note“ die Angelegenheit erst richtig lustig machte, denn die hilflose Dame entpuppte sich wenig später als Leiterin einer geführten Wohnmobilgruppe aus Deutschland. Na, bei soviel Erfahrung war ja wohl alles in besten Händen.

Rund ein Dutzend Wohnmobile dieser Gruppe hatten sich, nur auf Haaresbreite voneinander entfernt, dicht um die Rezeption aufgestellt und den Privatparkplatz des Besitzers gleich mit in Beschlag genommen. Ganz offensichtlich fürchteten sich die herbeigerollten Camper vor der herrlichen und riesigen Naturfläche des Campingplatzes, mieden sie daher eisern. Warum auch immer? Sicher lag es nicht an fehlenden Stromanschlüssen, Wlan oder was sonst, denn jeglichen technischen Komfort gab es dort überall. Obschon, ich habe einen begründeten Verdacht für die wohnmobile Kuschelrunde.

Campingplatz Tehumardi auf der estnischen Insel Saaremaa.

Nebenbei bemerkt: Flugs startete während der gruppenübergreifenden Aufstell- und Entsorgungsorgie der Campingplatzbesitzer zu Fuß in meine Richtung, griff sich einen meiner Hocker und stellte den, na, 15 Meter entfernt etwa, vor meine Markise. Damit, so Ago, „nicht doch noch jemand unter deiner Markise parkt.“

Zugegeben, solange in deutschen Fernseh-Krimis jeder zweite Gauner aus Litauen oder Lettland stammt, kann sich vielleicht ein wenig Verspannung bei dem ein oder anderen Zeitgenossen in Verbindung mit diesen Ländern breit machen. Hilfreich ist das allemal für das unterschwellig von wohnmobilen Reiseveranstaltern verbreitete Argument, dass es schließlich ein wenig gefährlich sein könne im Baltikum. Jedenfalls sei wohl Reisen unter kompetenter Gruppenführung sehr empfehlenswert. Nun ja. Oder, wie erst kürzlich online zu lesen war, als ein deutscher Wohnmobilist den Hauch des Abenteurers im Zusammenhang mit einer Baltikumsreise verströmte, angereichert durch die Mär, dass die offenbar nicht vorhandene Camping-Infrastruktur ein hohes Maß an individueller Fahrzeugautarkie erfordern würde. Vom persönlichen Mut, die eine solche „Abenteuer-Reise“ erfordern wird, können wir bei ihm vielleicht später noch lesen.

Die Gauja, Europas Amazonas, beim Campingplatz Leiputrija.

Es liest sich alles nett abenteuerlich in solchen Reiseberichten, nur ist es vielfach Unsinn und hat vor allem mit „clickbaiting“ und Leseraquise zu tun. Was auch immer der Einzelne unter Camping verstehen mag, am ehesten wird diese Reiseform europaweit in den drei baltischen Republiken, in Teilen Polens wie auch Skandinaviens, in der Gegenwart in schönster Art und Weise gerecht. Herrliche Natur, ursprüngliche Landschaften und vor allem nette und gastfreundliche Menschen finden sich nicht nur in Litauen, Lettland und Estland. Und klar, geprägt dies von einer umfassenden Sicherheit, wie man sie schließlich in EU-Mitgliedsstaaten auch erwarten darf.

Ver- und Entsorgung auf Leiputrija.

Besonderen Charme entwickeln im Baltikum die allesamt in Familienhände befindlichen Campingplätze, die sich, ausgehend von der Unabhängigkeit der drei jungen EU-Nationen, nahezu durchgehend in der positiven Weiterentwicklung befinden. Denn, in der Regel ist das Kapital knapp, vieles wird in Eigenleistung aufgebaut und die Balten mussten „Camping“, im Sinn der anderen europäischen Nationen, auch erst einmal kennen lernen und umsetzen können. Das gelingt auch in erfreulich hohem Maße, aber was genau ist damit gemeint?

Unten links das Redaktionsmobil: Campingplatz Mikelbaka im lettischen Kurland.

Im Baltikum war Camping bis zur neugewonnenen Unabhängigkeit alles was in Zelten und Hütten stattfand.  Wohnwagen oder Wohnmobile gab es nicht. Kurzfristig gebucht dereinst, „Wochenende, Kopf in den Himmel, Wetter ist schön, also ab zum Camping in der Nähe.“ Alles einfach in der Ausstattung, Plumpsklos reichten hin, bestenfalls eine Steckdose für alle, Feuer an, Grill zum Glühen gebracht und drauf mit den Fleisch-Spießen. Geld war knapp, auf der einen wie auf der anderen Seite, aber Camping ist immer schön.

Mikelbaka-Chef Martins Botters (Mitte) mit den Autoren.

Die Unabhängigkeit und der dadurch neu entstehende Tourismus machte aber ein „neues Camping“ erforderlich. Die Campingplatzbesitzer, oft bekamen die auch erst wieder ihr Land aus Restitutionsansprüchen gegenüber den sowjetischen Besatzern zurück (mancher neue Campingplatz war zuvor sogar militärisches Übungsgelände), machten sich auf den Weg, diesen, mit meist nur eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten, zu entwickeln.

Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht: Lettland.

Als baltische „Camping-Speerspitze“ kann dabei Ago Lieblik gelten, leider vor einigen Jahren viel zu früh verstorben, der aus einer großen Wiese den Campingplatz Tehumardi, in der Nähe von Kuressaare auf der estnischen Insel Saaremaa, aufgebaut hat. Ausgehend von den 1990er Jahren hat er den technisch und organisatorisch erfolgreich „state of the Art“ entwickelt. Modernes Sanitär, Sauna, Strom überall, praktikable Ent- und Versorgungseinrichtung, Badesee und vieles mehr. Und das alles in herrlichster Natur und in Strandnähe, mit viel Raum für jeden und in großzügigster Weise unparzelliert. Einfach herrlich. Viele gut entwickelte Campingplätze im Baltikum haben sich daher Tehumardi und Ago Lieblik zum Vorbild genommen.

Campingplatz „Medaus Slenis“ in Siline, rund zehn Kilometer entfernt vom litauischen Jurbarkas.

Inzwischen gibt es reichlich Campingplätze, auch etliche Wohnmobilstellplätze, in den drei baltischen Nationen. Die werden den aktuellen Ansprüchen, wie auch großer Naturverbundenheit, an Camping überaus gerecht. Gepaart ist dies in der Regel mit einem spannenden Freizeitangebot, dass sich je nach Lage dem Wassersport, aber auch Quad fahren im Gelände und anderes mehr, widmet. Und das alles in schöner Natur, mit viel Platz und Ruhe. Es mangelt also lange nicht mehr an wohnmobiler oder Camping-Infrastruktur in den verschiedenen Ferienregionen der drei Länder.

Vor geraumer Zeit teilte ein wohnmobiles Bekanntenpaar mit, dass sie gerne mal ins Baltikum reisen würden, sie sich das aber nur zutrauen könnten, wenn das Autorenpaar dabei wäre. Schlagartig wurde einmal mehr deutlich, dass die baltischen Länder noch immer ein Image gewisser „Unsicherheit“ ausströmen. Aber inhaltlich ist das Unsinn, eher ist das Gegenteil der Fall.

Campingplatz Apalkans: bei Raiskums unweit Sigulda, Lettland.

Die worldwideontour.de-Besatzung ist seit Anfang der 1990er Jahre, ausgehend von der staatlichen Unabhängigkeit der drei Länder, regelmäßig im Baltikum unterwegs. Da sind x Übernachtungen auf Feldwegen, Rastplätzen, Parkplätzen, Autohöfen, in und außerhalb von Städten oder sonst wie bemerkenswerte Plätze, dabei. Monatelange Aufenthalte aus beruflichen Gründen auf Campingplätzen in Litauen, Lettland und Estland ebenfalls. Mal abgesehen davon, dass bei all den Reisen niemals irgendwelche Misshelligkeiten oder negative Erfahrungen gemacht werden mussten, lernte man Menschen, Möglichkeiten und Natur dort sehr zu schätzen. Insbesondere bemühen sich auch die Campingplatzbetreiber sehr um ihre internationalen Gäste. Camping, im wahren Verständnis dieser Art zu Reisen, wie es besser kaum geht.

Nicht alles was man tun kann, sollte man auch tun. Sicherheit und weite Natur locken mobile Zeitgenossen an, die unter der Agenda „wir meiden Campingplätze, denn da ist es eng und laut,“ übersetzt zumeist: „die kosten Geld“, und suchen sich kuschelige und unkostenfreie Plätzchen in der Natur. Kann man machen, fehlende Verbote und ein hohes Maß an Sicherheit sprechen im Baltikum dafür. Dagegen spricht aber, dass die vorhandene Campinginfrastruktur den vordergründig genannten Ansprüchen locker gerecht werden kann und vor allem die Argumente „eng und laut“ leicht entkräften, sofern man den Bereich der großen Städte meidet.

Gemütlich campen, paar Schritte nur bis zum Strand. Campinplatz Verbelnieki.

Litauen, Lettland und Estland sind Nationen im Aufbau, unternehmerisches Geld ist noch immer knapp, Corona macht es nicht leichter, und daher ist es überaus verständlich, auch im touristischen Bereich angemessene Renditen einfahren zu wollen. Es ist überdeutlich, und in anderen Nationen wie Niederlande, Portugal, Spanien oder auch Frankreich längst nachdrücklich festzustellen, dass dem exponentiell wachsenden freien Campen durch exekutive Maßnahmen Einhalt geboten werden muss und wird. Selbiges lässt sich beispielsweise auch rund um die touristischen hotspots in Schleswig-Holstein feststellen, denn die diversen Ordnungsämter sind seit geraumer Zeit mit Recht voll auf Attacke. Und genau dies wird auch im Baltikum geschehen, wenn Camping-Touristen vorhandene Camping-Infrastruktur gezielt umgehen. Es wird Verbote und Strafen hageln. Die Verbote betreffen letztlich dann alle Camper, denn irgendwann wird man einen Strand oder einen Naturpark nicht mal mehr für einen kurzen Ausflug mit dem Camper befahren können. Wer das nicht zur Kenntnis nimmt, dem ist ein Stück weit gesellschaftliche Verantwortung wurscht, denn vor allem die nachfolgende Generation wird die Konsequenzen zu tragen haben, und die Camping-Unternehmer in den Urlaubsgebieten obendrein. Mal drauf rumdenken!

Moderner Campingplatz im Schatten von Tallinn: Vanamoisa.

Die worldwideontour.de-Besatzung kann das Baltikum als Campingreiseziel nur uneingeschränkt empfehlen, und auch in dieser Hinsicht sind die Folgen der Corona-Pandemie nur zu bedauern, weil sie natürlich auch dem Tourismus schweren Schaden zufügen. Eine Camping-Reise ins Baltikum bedarf weder besonderen Mutes noch einer speziellen Fahrzeugqualität. Fahrt einfach hin, genießt die Natur, weitläufige Strände, Kultur und die überaus bemerkenswerte Gastfreundschaft auf den Campingplätzen. Ihr werdet nach der Reise ein neues Verständnis von einem interessanten und entspannten Camping-Urlaub entwickelt haben. Viel Spaß dabei.

Zur Info hängt hier die baltische Campingkarte dran: Link

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