Sehestedt (wwot) – Von der litauischen Großstadt Kaunas bis zum gemütlichen Sehestedt am Nord-Ostsee-Kanal sind es laut Google Maps auf der Route über Warschau 1.341 Kilometer. Für eine Tagesetappe zuviel, also gilt es die Rückfahrt nach dreimonatiger Baltikum-Reise genauer zu planen. Das sollte aber kein Problem sein.
Es ist ja wie immer. Am Ende wird die Zeit knapp. Die letzten berufliche Termine lagen nur einen Tag vor der geplanten Rückreise – damit man pünktlich zum Geburtstag des Sohns wieder in der Heimat ist – und waren ordentlich anstrengend. Knapp 600 Kilometer ging es vor allem auf Landstraßen mit dem „Beiboot“ von Kaunas nach Kretinga, nach Klaipeda, nach Vyziai und Pagegiai. Abends war ich zurück, dann musste noch der „Dampfer“ entsorgt werden, der Pkw auf den Trailer und das gesamte Paket abreisefertig gemacht werden. Feierabend, Abreise war für den nächsten Morgen um sechs Uhr geplant.
Hätte ich mal bloß das Stromkabel abends schon eingenommen, denn am nächsten morgen regnete es wie verrückt, und die paar Minuten draußen durchnässten mich völlig und zwangen zum umziehen. So ein Mist. Egal, ziemlich genau um sechs Uhr konnte ich in strömenden Regen vom „Hof“ fahren. Das Wasser stand halbmetertief auf der Straße, ich dachte nur: „Bitte nicht den ganzen Tag Regen.“
Ich war vom Glück bestrahlt, kaum auf der Autobahn aus Kaunas raus, hörte der Regen auf, die Sonne kam durch die Wolken und erfreulicherweise, es war noch nicht viel los auf der Straße.
Nach einer guten Stunde war die polnische Grenze bei Budzisko erreicht, die ViaToll-Box hatte ich letzte Tage schon aufladen lassen –über die Maut-Situation in Polen werden ich demnächst gesondert berichten-, konnte also locker durchfahren und jetzt begann die Kurbelei durch x-Dörfer, unterbrochen von einigen Stücken neuer Schnellstraße oder Autobahn. Das war mir klar, das erste richtige Etappenziel war nach der Passage von Warschau erreicht, denn dann beginnt die wohl langweiligste Autobahn Europas, aber brandneu und gut zu fahren.
Aber auch diesmal war die Navigation nicht ohne Tücken, in Lomza wiesen die Schilder geradeaus nach Warschau (über die A 61), meine Navigation wollte links abbiegen, schwer die Entscheidung, also den Schildern nach und das war falsch. Denn so würde ich vom Norden nach Warschau reinkommen, müsste quasi durch die ganze Stadt, um die Autobahn im Süden zu erreichen. Die Navigation wollte mich klugerweise nach Ostrow Mazowiecka führen, x-mal bin ich da schon längs, und von dort über die A 8 über Marki auf die Autobahn nach Warschau. Nun gut, das Wetter war schön, umdrehen wollte ich nicht, also irgendwann in der Pampa der Navigationsempfehlung gefolgt. Genial, rund 30 Kilometer Wirtschaftswege durch die polnische Feldmark. Die Wege alle bestens in Schuss, breiter auch als in Deutschland, kein Problem mit dem zehn Tonnen-Zug bei rund 14 Metern Länge.
Auch in Marki, also dem fehlenden Stück Autobahn im gleichnamigen Vorort war erfreulicherweise nicht viel los, und die Autobahnbaustellen in Warschau hatte ich auch viel länger in Erinnerung. Gut. Was will ich sagen: Mittags war ich Warschau durch, die ersten 450 Kilometer gut geschafft, darauf ein Besuch bei KFC, eine Premiere für mich und öfter muss ich da auch nicht hin.
Irgendwie ist es ein wenig deprimierend, wenn das Navigationsgerät die nächste „Kursänderung“ erst in 512 Kilometern empfiehlt. In diesem Fall am Berliner Ring, dann geht es weiter nordwärts, Richtung Hamburg. 512 Kilometer, die langweiligste Autobahn Europas lang, mit Lärmschutzwänden vor unbebauten Viehweiden, also Autopilot rein und Mucke laut.
Schönes Wetter, wenig Verkehr, alles lief prächtig, ein bisschen nachtanken (die Spritpreise an den polnischen Autobahnen sind gemessen am europäischen Preisgefüge inzwischen eine Frechheit), Herzsprung wollte ich ansteuern, den Autohof bei Wittstock/Dosse, kulinarisch mit reichlich Luft nach oben (Frank Rosin übernehmen sie!), aber jede Menge Parkflächen für Trucks, Pkw und Camper. Ich liebe diesen Autohof, seit Jahren keine Änderung, kein offensichtliches Bemühen, dem Geschäft ein bisschen Schwung zu verleihen. Der Einkauf: ein Übernachtungsticket, einen Stern, zwei Dosen Becks. Wieviele Kassiervorgänge an der gleichen Kasse? Richtig, drei, und der Rabatt-Bon für die Gastro erreichte mich auch nicht. Als ich das im Restaurant nach einem schwachen Schnitzel feststellte, war ich längst wehrlos, scheiß auf die drei Euro Rabatt, ich liebe Stereotype und Kontinuität, dort erlebt man sie seit Jahren. Ich freue mich auf den nächsten Besuch.
Die restlichen Kilometer, knapp dreihundert waren es wohl, waren ein Klacks, zack, Freitagmittag stand ich vor der Haustür, und nachmittags gings wie geplant auf des Söhnchens Geburtstagsfeier. Drei Monate Baltikum waren damit beendet, eine Geschichte über die Mautentwicklung in Polen und mein persönlich-angespanntes Verhältnis zur ViaToll-Box schiebe ich demnächst noch nach. Wolfgang Henze
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