Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat am 14. September 2020 das Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff (VWFS) „Atair“ abgenommen und von der Fassmer Werft übernommen. Als größtes und modernstes Schiff wird es das Flaggschiff der BSH-Flotte und zugleich das erste seegehende Behördenschiff mit LNG-Antrieb sein. Die erste Monitoring Fahrt soll im Oktober 2020 auf der Nordsee stattfinden. Die feierliche Indienststellung ist wegen der erhöhten Infektionsgefahr mit COVID -19 erst für das Frühjahr 2021 geplant.
Die Besatzung der „Atair“ wird die nächsten Monate nutzen, um die Arbeitsabläufe an Bord zu gestalten und zu trainieren, sowie in die Handhabung der Instrumente für die Vermessung und Wracksuche sowie die Nutzung der an Bord befindlichen maritimen Technologien eingewiesen. Zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden die erforderlichen Arbeitsabläufe für die Monitoring Fahrten erprobt.
In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), in Einzelfällen auch in den Küstenmeeren, von Nord- und Ostsee wird die „Atair“ für Vermessung und Wracksuche sowie die Untersuchung von Sedimenten und der Wassersäule eingesetzt. Auch die Erprobung von Navigationsausrüstungen für die Schifffahrt gehört zu den Aufgaben. Die „Atair“ wird mit einer mobilen Station Schiffsemissionen messen und damit einen Beitrag zu dem stationären Schiffsemissionsmessnetz liefern, das sich zurzeit an der deutschen Nord- und Ostseeküste im Aufbau befindet. Auch im Rahmen der Voruntersuchungen von Flächen für die Offshore-Windenergie wird die „Atair“ eingesetzt werden.
Das Schiff verfügt über ein Diesel-Gas-Elektrisches Antriebskonzept. Die Stromerzeugung für die elektrischen Antriebs- und Manövriereinrichtungen erfolgt durch zwei Dual-Fuel-Motoren, von denen einer ausschließlich mit Gas betrieben wird. Ein weiterer Dieselmotor ist als Redundanz vorgesehen, wenn die Gasversorgung ausgefallen ist oder die LNG Bunkerversorgung nicht gewährleistet ist.
Durch die Nutzung des zurzeit umweltfreundlichsten Schiffskraftstoffs LNG (Liquified Natural Gas – verflüssigtes Erdgas) werden die Abgabe von Schwefeldioxid um 90 Prozent und Kohlendioxyd um 20 Prozent gesenkt. Feinstaub fällt so gut wie nicht an.
Mit einem 130 m³ großen LNG-Tank kann das Schiff zehn Tage allein mit LNG betrieben werden. Der zweite Dual-Fuel Motor, der auch für den Dieselbetrieb vorgesehen ist, und der Dieselmotor sind mit einer modernen Abgasnachbehandlung und einem Rußpartikelfilter ÍMO Tier III konform ausgestattet. Für den damit ebenfalls möglichen Dieselbetrieb wird ausschließlich hochwertigstes marines Gasöl mit einem Schwefelgehalt unter 0,1 % verwendet.
Die neue „Atair“ erfüllt als erstes deutsches Forschungsschiff die DNV-GL „Silent R“ – Anforderungen. Sie definieren den sehr niedrigen maximal zulässigen Unterwasserschallpegel. Damit werden gleichzeitig die Meeresumwelt geschützt und optimale Bedingungen für wissenschaftliche Arbeiten an Bord gewährleistet. Da das VWFS „Atair“ über eine Vielzahl an hydroakustischen Geräten verfügt, darunter zum Beispiel ein Singlebeam-Echolot, ein Multibeam-Echolot, ein Subbottom-Profiler, ein Side-Scan-Sonar und ein USBL-Unterwasser-Ortungssystem, sind die Anforderungen an den Unterwasserschallpegel des Schiffes hoch, um akustische Störungen durch eigene Schiffsgeräusche auszuschließen.
Das Schiffsdesign entspricht den Vorgaben des Umweltzeichens „Blauer Engel“ für umweltfreundliches Schiffsdesign RAL-UZ 141.
Die „Atair“ ist das erste Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff mit einem dynamischen Positionierungssystem. Mit nur einem Joystick kann das Schiff manövriert oder automatisch auf Position gehalten werden. Die Standort-Genauigkeit beträgt etwa 1,5 Meter. Dies erleichtert Vermessung und Wracksuche sowie die Stationsarbeiten für die Probenahmen erheblich und macht das Arbeiten sicherer.
Die wissenschaftliche Ausrüstung beinhaltet umfangreiche Hebeeinrichtungen, modernste Forschungswinden, eine State of the Art-Vermessungsanlage mit Seiten- und Voraussichtsonar, ein Sedimentlot, Fächerlot, Strömungsmesser, ein Unterwasser-Positionierungssystem und einen Hydrographenschacht zur temporären Installation von Unterwassergeräten. Die Einrichtung zur Messung der Emissionen vorbeifahrender Schiffe wird das BSH noch installieren.
Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stehen drei Labore, die bei Bedarf durch weitere fünf Laborcontainer ergänzt werden können, zur Verfügung. Hinzu kommen eine komplette Taucherausrüstung mit Taucherdruckkammer und Reinluftatemkompressor.
Für die Flachwasservermessung sind zwei zehn Meter lange Vermessungsboote vorgesehen.
Den 18 Besatzungsmitgliedern und den bis zu 15 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die eingeschifft werden können, stehen ausschließlich Einzelkammern mit jeweils eigener Nasszelle, modernsten Infotainment-Systemen, Sauna und ein Fitnessraum zur Verfügung. Damit entspricht das Schiff den Anforderungen, die an die Ausstattung der Räume für die Besatzungsmitglieder in der Kauffahrteischifffahrt gestellt werden.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist die zentrale maritime Behörde in Deutschland. Fast 1.000 Beschäftigte in rund 100 Berufen befassen sich mit Aufgaben in der Seeschifffahrt, der Ozeanographie, der nautischen Hydrographie, der Offshore-Windenergie und der Verwaltung. Fünf eigene Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffen operieren in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee. Das BSH arbeitet international in mehr als 12 Organisationen und etwa 200 dort angesiedelten Gremien unter anderem bei der Entwicklung internationaler Übereinkommen mit. Das BSH ist eine Bundesoberbehörde und Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Dienstsitzen in Hamburg und Rostock.
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