Natchez (wwot) – „Dieser Pfad führt die Besucher nicht nur zurück in die Geschichte, er führt den langen Weg zurück in die prähistorische Welt, eine Zeit, in der Mastodon und große Büffel den Original-Pfad schuffen.“
Mit diesen Worten wird der Natchez Trace Pkwy in der offiziellen Broschüre beschrieben. Nun – natürlich begegneten wir keinen Mastodons. Auch Büffel ließen sich leider nicht blicken. Dafür waren wir erst kurze Zeit unterwegs, als eine Gruppe von Federvieh am Wegesrand unsere Aufmerksamkeit erregte. „Was ist das?“, fragte der Fahrer fassungslos, während er geistesgegenwärtig auf die Bremse trat. „Ein Truthahn“, erklärt die Beifahrerin, die den großen Vogel im Laufschritt nur eine Federbreite vom Autokühler entfernt über die Straße rennen sah. Was auch sonst sollte einem in Amerika über den Weg laufen, als der Nationalvogel des Thangsgiving-Essens?
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Doch dann wurde es ruhig auf dieser zweispurigen Straße, die sich anfangs noch kurvig, später in langen Windungen durch die Landschaft schlängelte. Schließlich ist „commercial use“ nicht gestattet. Nur Freizeit-Verkehr ist erlaubt. Es stehen auch keine riesigen Werbeschilder am Straßenrand, selbst Verkehrszeichen sind auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert. Es dauert eine Weile, bis einem dieser Umstand bewusst wird. Merkwürdig leer erscheint die Landschaft – und wie ein riesiger Park. Genaugenommen ist sie das auch: Ein Nationalpark – einer der meistbesuchten in den USA. Dennoch hatten wir bis dato noch nie davon gehört, waren eigentlich per Zufall durch einen Reiseführereintrag darauf gestoßen (Vistapoint, siehe Anhang). 444 Meilen ist der Weg lang, führt von Natchez nach Nashville. Oder, wenn man wie wir immer gegen den Strom reist, von Nashville Richtung Süden. Es ist die Geschichte, die diesen Weg so bedeutsam macht.
Der Natchez Trace war ein Pfad – dessen Originalzustand man an einigen Stellen bestaunen kann (interessante Orte sind gut ausgeschildert). Dort reiste man zu Fuß. Erst waren es Indianer, die schon einige tausend Jahre vor der Besiedlung durch die Europäer hier lebten: Chickasaw, Choctaw und Natchez. An sie erinnern auch noch sogenannte „Mounts“ – erdige Hügel, die wohl einst Kultstätten waren. Als dann die Weißen das Land in Besitz nahmen, zog sie auf dem Pfad von Süd nach Nord. Es waren Händler, die ihre Waren auf dem Mississippi per Schiff nach New Orleans geschafft hatten. Stromabwärts kein Problem. In die andere Richtung war der mächtige und schnelle Fluss aber im 17. Jahrhundert nicht befahrbar.
Den Rückweg traten die Händler also zu Fuß an. Später waren hier auch Post-Reiter unterwegs. Dann brach das Dampf-Zeitalter an. Nun war der Mississippi in beiden Richtungen schiffbar. Der Pfad geriet nach und nach in Vergessenheit, die Natur begann, ihn zurückzuerobern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erinnerten sich einige Damen (die „Töchter der Amerikanischen Revolution“) der historischen Route. 1937 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, 1938 die Straße eingeweiht, die der alten Streckenführung möglichst genau folgt. Jetzt im frühen Frühling tragen nur wenige Bäume ein zartes Grün. Man kann noch weit blicken, sieht in der Ferne manchmal eine Farm, mal eine Ranch. Viele Judasbäume finden sich – meist einzeln zwischen Eichen, Pinien oder Buchen stehend setzen sie lila Farbtupfen. Manche Bäume kleiden sich in fedrige rote Blätter, andere in rostrotes Laub (darum empfiehlt der Reiseführer Mitte März bis Mitte April als beste Reisezeit für die Route!). Auch die Tierwelt gibt sich farbenfroh. Ein leuchtend blauer Vogel kreuzte unseren Weg – leider habe ich nicht herausfinden können, um welches Tier es sich handelt.
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Die Grasflächen am Straßenrand wirken wie frisch gemäht und verstärken den parkartigen Eindruck. Meist lässt es sich weit blicken und die Autos, die uns auf der Strecke von Nashville bis Tupelo begegneten, sind an zwei Händen abzuzählen. Auch einige Radfahrer sahen wir – als Radroute wird der Trace besonders beworben und hat für die Radler auch extra Campingplätze.
Selbst wenn man an den ausgeschilderten Punkten („Historic site“) stoppt, auf Flussläufe oder Gedenksteine blickt, wird die Fahrt mit der Zeit ein wenig eintönig. Doch als wir dieses Stadium erreicht hatten, waren wir auch schon in Tupelo angekommen. Das Städtchen markiert die Hälfte des Weges, an „Milemarker“ 666 (sie zeigen einem regelmäßig, wo man sich befindet) liegt das Visitor Center. Die Ausstellung informiert in Wort und Bild über den Natchez Trace und ein 15-Minuten-Film gibt gleichfalls einen guten Überblick. Damit endet vorerst unsere Reise in die amerikanische Vergangenheit – die übrigens durch die drei Staaten Tennessee, Alabama und Mississippi führt. Vielleicht folgen wir später noch einem Teil der Südroute, auf der die Sehenswürdigkeiten stärker vertreten sind. Sabine Sopha.
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