Es gibt eine Menge guter Gründe, warum die die italienische Küche nicht nur in Deutschland die beliebtestes Auslandsküche ist. Häufig wird sie hierzulande zwar auf Pizza und Pasta reduziert, kommt aber dennoch über alle Generationen gut an. Wer aber mal richtig italienisches Essen kennen lernen will, der sollte schon in die Heimat dieser lukullischen Vielfalt fahren. Wir haben sie einmal mehr während der Reise in die Regionen Marken und Apulien erlebt.
Es ist schon so, dass man in Apulien in jedem Imbiss eine bessere Pizza serviert bekommt, als irgendwo hier in Deutschland. Die Kunst liegt in der Reduktion, im sparsamen Einsatz der Bestandteile, die jedoch sehr hochwertig sein müssen. Während der Reise haben wir x-mal gut in Ristorantes und Trattorias gegessen, oft aber auch selbst gekocht, denn auch das Lebensmittelangebot, egal ob auf Wochen- und Fischmärkten oder auch in Supermärkten, wie Familia beispielsweise, unterscheidet sich schon deutlich von denen in Deutschland. So wird man immer eine Theke mit frischem Fisch finden, auch die Fleischtheken können beeindrucken.
Im apulischen Gallipoli gibt es in der Altstadt quasi Ristorantes an jeder Straßenecke. Ein wenig abschreckend wirkt da auf uns allerdings das offensiv angebotenen Touristenmenü, gegen das inhaltlich und geschmacklich vermutlich nicht mal was einzuwenden wäre, sondern den Auslandstouristen wohl den durchaus ein wenig komplizierten Umgang mit den italienischen Speisekarten, so es denn eine gibt, ersparen soll. Was tun bei diesem Angebot? Mal jemanden fragen der sich damit auskennt. Auf dem Campingplatz La Masseria gehört Sandro Polo zu den fleißigen Servicekräften, der zuvor etliche Jahre im Stuttgarter Raum als Metallfacharbeiter tätig war. „Sandro, wir wissen dass es hier in Gallipoli viele gute Ristorantes gibt, aber welches würdest du uns empfehlen?
„Besucht mal das L´Angolo blu“, sagt er kurzerhand und erklärt dann, wie man da hin findet. Das L´Angolo blu liegt nämlich völlig versteckt, ein wenig außerhalb der Touristenpfade der Altstadt, in einer ganz kleinen Nebengasse in der Nähe des Doms. Via Muzio Carlo 45 ist die Anschrift, und noch am gleichen Abend pilgerten wird dort auch hin. Es war wohl so gegen 19 Uhr, als wir, nur zur Ortserkundung, dort ankamen. Nein, wie ein Restaurant sah das nicht aus. Eine uralte Hütte, mit verrammelten Türen, die noch dazu mit massiven Gittern geschützt wurden. Kein Hinweis, keine Leuchtreklame, und keine zweieinhalb Meter vom vermuteten Haupteingang begann das zur Gasse durch eine große weitgeöffnete Tür Wohnzimmer einer jungen Familie mit ein paar kleinen Kindern, die uns um die Beine hüpften. Egal, hier musste es sein. Eine halbe Stunde später, in der wir ein weiteres Mal den Dom umrundeten, war die Tür zum Ristorante schließlich auf, und ein Kellner empfing uns im allerfreundlichsten und besten deutsch mit dem Hinweis, dass das L´Angolo blu erst eine halbe Stunde später öffnen würde, und uns empfahl, einen Tisch zu reservieren. Was wir auch taten, aber eigentlich irgendwie für überflüssig hielten. Einen Aperitif später, schön in einer Lounge vor dem Dom genommen, wurden wir schließlich empfangen.
Das L`Angolo blu empfing uns als erste Gäste, der „deutsche“ Kellner führte uns durch das enge Lokal zu unserem Tisch. Die Möblierung war einfacher kaum zu realisieren, Kunststoffstühle, einfache Tische mit schlichten Tischdecken. Wenige Minuten nachdem wir uns gesetzt hatten, bekamen wir dann von den Köchen nicht nur am Tisch den frischen Fang des Tages gezeigt, sondern eine schlüssige und sinnenreiche Menüempfehlung, die ich in langen Jahren „Essens und Trinkens“ in dieser Qualität bisher kaum erlebt hatte.
Im Verlauf dieser Menüempfehlung füllte sich dann nicht nur das Restaurant peu a peu, sondern die ersten Appetitmacher erreichten bereits unseren Tisch. Und was dann schließlich folgte, war ein rund zweieinhalb Stunden langes Menü, das in allen seinen Facetten wirklich erstklassig war. Die Antipasti misto bestanden alleine schon aus drei „Gängen“ und enthielten als Höhepunkt Gamberetti (kleiner Hummer) in Mandelkruste gegrillt. Das Menü war wie auch die Weine absolut erstklassig, und als wir inklusive Dessert (lecker, lecker) kurz vor elf das L`Angolo blu wieder verließen, waren wir um schlappe 70 Euro ärmer, hatten aber auf Plastikstühlen ein wirkliches Sterne-Spitzenmenü erlebt. Für uns steht fest: Sind wir wieder in Gallipoli, dann muss es auch wieder das L`Angolo blu sein.
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