Adazi – Über das dumpfe Grollen am Himmel staunten gestern Abend (9. Juni) auf dem Campingplatz Leiputrija bei Riga einige deutsche Camper und Wohnmobilisten nicht schlecht. Noch größer wurde die Verblüffung allerdings, als kurz nach 20 Uhr ein ungewöhnliches Flugzeug in vielleicht 300 Metern Flughöhe am Freizeitgelände vorbeiraste.
So einen martialischen Flieger hatte bislang keiner von ihnen gesehen, jedoch erinnerten sich einige an die Endzeit-Satire „Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben“ von Meisterregisseur Stanley Kubrick. Tatsächlich handelte es sich bei dem Flieger über dem Waldgebiet von Adazi um einen B 52 „Stratofortress“-Bomber der U.S. Airforce, sozusagen das in Titan und Alu gegossene Sinnbild für den überwunden geglaubten „Kalten Krieg“.
Mitte der 1950er Jahre in Dienst gestellt hat die amerikanische Luftwaffe noch 44 Bomber dieses Typs im Einsatz, die jedoch ausschließlich in den USA stationiert sind. Keine Entfernung jedoch für diesen Militärluftfahrt-Oldie, der durch seine Luftbetankungsfähigkeit eine nahezu unbegrenzte Reichweite hat.
Aber warum über Lettland, und das im Tiefflug? Militärisch macht das wenig Sinn, politisch aber schon, insbesondere unter Betrachtung der Entwicklung in der Ukraine.
Tatsächlich läuft zurzeit aber in der Ostsee die 43. Auflage des Baltops-Manövers, das einst als Antwort auf sowjetische See-Operationen in der Baltischen See geschaffen worden ist. In diesem Jahr nehmen an Baltops 49 Schiffe und 61 Flugzeuge teil –deutlich mehr als im letzten Jahr-, darunter auch der strategische Bomber über Lettland, der wohl an einer Kooperation mit den lettischen Landstreitkräften beteiligt war. Deren größter Übungsplatz liegt nämlich direkt neben Lieputrija.
Organisiert wird das Baltops-Manöver von der 6. US-Flotte. Beteiligt sind außer Russland alle Ostsee-Nationen. Die Deutsche Marine hat dort neben anderem die Fregatte „Lübeck“ und Korvette „Braunschweig“ im Einsatz. Die größten Schiffe sind die US-Kreuzer „Vicksburg“ und das Landungsschiff „San Antonio“.
Beendet wird das Manöver traditionell zur „Kieler Woche“. Die beginnt am 19. Juni. Spätestens dann laufen alle schwimmenden Baltops-Einheiten in den Kieler Marinestützpunkt ein. Der B 52-Bomber wird dann längst wieder in die USA zurückgekehrt sein. Wolfgang Henze
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