Williamsburg/VA (wwot) – Natürlich gibt es sie – die spektakulären Ausblicke, die grandiosen Landschaftsformationen, die leuchtenden Blüten, bei denen einem der Atem stockt. Oftmals liegt die Schönheit aber im Detail. Still, nicht auf den ersten Blick zu entdecken, jedoch nicht minder faszinierend.
Am Coleman Lake bildeten weiße Blüten an Bäumen einen herrlichen Kontrast zum leuchtend blauen Himmel. Mitten im Wald – es waren also wohl keine Obstbäume, dachte ich mir. Aber diese Blüten hatte ich noch nie gesehen. Ebenso war es mir mit den auffälligen lila Blüten der Judasbäume gegangen. Und da waren jene runden stacheligen Fruchthüllen, die ich beim besten Willen nicht zuordnen konnte. Wirklich kugelrund. Besonders am Natchez Trace Parkway trat ich bei jedem Stopp darauf. Aber wie bitte recherchiert man nach „kugelrunden Stacheldingern“ im Internet?
Dann sind da noch die Vögel. Schon auf dem Campingplatz in Indianapolis hüpften Exemplare mit roter Weste um uns herum. Allerdings haben sie sich – wie die übrige hiesige Tierwelt – als extrem unkooperativ erwiesen, was die Foto-Shootings anbelangt. Die Viecher saßen einfach nicht still. Kaum hatte ich meine Kamera gezückt und wollte auf den Auslöser drücken, hüpften sie hinter Bäume oder unter Tische. Es dauerte eine Weile, bis ich ein Exemplar ablichten konnte. Auf den ersten Blick dachte ich, dass es eine Drossel sei. Allerdings weisen diese Exemplare eine rostbraune Brust auf. Ich recherchierte, dass es sich um „American Robin“ – also Turdus migratorius – handelt. Drossel war gar nicht so falsch, denn die deutsche Bezeichnung lautet „Wanderdrossel“. Warum, das erschließt sich mir allerdings nicht. Denn sie wandert überhaupt nicht. Auf dem amerikanischen Kontinent ist dieser Vogel übrigens genauso häufig zu finden wie in Europa die Amsel (sagt Wikipedia, ich will mich ja nicht mit fremden Federn schmücken …).
In Pensacola, genauer in Perdido Bay, begegneten uns die Rot-Westen auch wieder. Aber da war noch ein anderer Vogel. Er saß hoch oben in den Pinien und machte teilweise einen Höllenlärm. „Uih-uih-uih“ in kurzen Abständen, gefolgt von einem heulenden „Uiiiiiiih“. Das klang wie die Alarmanlage eines Autos. „Alarmanlagenvogel“ tauften wird das Tier deswegen. „Vielleicht imitiert es diese nervenden Geräte ja“, mutmaßte die Möchte-Gern-Vogelexpertin. Was vom Ich-Habe-Keine-Ahnung-Mann mit wohlwollendem Nicken quittiert wurde und das Federvieh zu einer neuen „Uih-uhi-uhi“-Orgie anstachelte. Dann, eines Morgens, saß das Tierchen im Baum direkt vor unserem Womo-Wohnzimmer-Fenster. Mit Alarm-Gesang, versteht sich. Eine Verwechslung war also ausgeschlossen. Aber – siehe oben – fototechnisch wieder total unkooperativ. Doch es blieb genug Zeit, sich das leuchtend rote Federkleid und die schwarze Gesichtsmaske einzuprägen. Eindeutig: Es handelte sich um Cardinalis cardinalis, einen Rotkardinal. Warum der Schreihals allerdings auch als „Virginische Nachtigall“ tituliert wird, ist uns völlig unverständlich. Nachtigallengleich waren die Lieder dieses Exemplars nun wirklich nicht. „Der Gesang wird auch vom sozialen Umfeld beeinflusst“, verriet uns das Internet. Aha – also doch die Alarmanlage!
Ein weitläufiger Verwandter dieses Exemplars siedelte am Coleman Lake. Da dort aber die Autos nicht so oft ihre Alarmanlage ertönen lassen, war sein Gesang wesentlich erträglicher. Ansonsten beobachteten wir Eichhörnchen dabei, wie sie sich die Bäume rauf und runter jagten.
Erfreuten uns an dem frischen, knackigen Grün, dass überall einen herrlichen Kontrast zu dem braun-grau von Winterlaub und Baumrinde bildete. Um den See führt ein Spazierweg, an dessen Rand die Baumwurzeln die merkwürdigsten Verrenkungen ausführten, Info-Tafeln darauf hinwiesen, dass hier der „Carolina Chickadee“ (Poecile carolinensis, die Carolina-Meise) anzutreffen ist. Natürlich nicht von mir – weil eben total unkooperativ! Ich entdeckte stattdessen interessante Blumen im Laub bei denen es sich um eine Trillium-Art handeln könnte… also Waldlilien. Und über der ganzen Szenerie lag ein leichter Hauch von Lagerfeuer, gemischt mit dem würzigen Duft von Kiefernnadeln, die den Boden bedeckten.
In den höheren Regionen der Appalachen (immerhin über 1500 Meter !!) zeigte sich die Natur noch sehr zurückhaltend mit ihren kleinen Reizen. Hier ließen die Rhododendron-Hecken vermuten, wie großartig es hier zu deren Blütezeit aussehen wird – in dieser Höhenlage übrigens erst im Juni. Doch in den Tieflagen, dort, wo auf den Wiesen der erste Löwenzahn blüht, tummeln sich schon Schmetterlinge. Große schwarz-gelbe Exemplare haben wir gesehen – und auch fotografieren können: den Eastern Tiger Swallowtail. Sabine Sopha
Auflösungen:
- Baum 1 = Judasbaum: Seinen volkstümlichen Namen erhielt er aufgrund seiner rundlichen Blätter, die an Silberlinge zurzeit von Judas erinnern, für welche er Christus einst verraten hat. Diese grünen Blätter färben sich im Herbst in ein wunderschönes Goldgelb um. Besonders schön sind aber die lilafarbigen Blüten im Frühjahr.
- Baum 2 = Sweetgum – oder Amerikanischer Amberbaum. Die leeren stachligen Fruchtstände finden sich an vielen Stellen. Sein Lebensraum erstreckt sich von New York bis Nicaragua. Liquidambar styraciflua lautet sein lateinischer Name.
- Vogel = Wanderdrossel. Sie unterscheidet sich durch ihre rote Brust von europäischen Verwandten
- Baum 3 = Flowering Dogwood (cornus florida) – zu Deutsch: Blüten-Hartriegel
- Baum 4 = Die Dogwood-Blüte im Detail.
- Schmetterling = Eastern Tiger Swallowtail, der Östliche Tigerschwalbenschwanz. Auf diesen Bildern nicht gut erkennbar, aber seine Flügel laufen wie mit einem Schwanz aus.
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