Fabelhaft: Fiede Nissen, die Lore und das Wattenmeer

Reklame

Hallig Langeneß (wwot) – Zehn Halligen trotzen im nordfriesischen Wattenmeer dem stürmischen Seegang und den Sturmfluten der Nordsee. Fünf von diesen schutzlos der See ausgelieferten kleinen Inseln werden bewirtschaftet. Drei von ihnen sind über Lorenbahnen zu erreichen, die anderen per Schiff oder Boot, über Wege durchs Watt oder auch wie die Hamburger Hallig, über eine Straße. Nordstrandischmoor, Oland und Langeneß sind ausschließlich, oder aber auch parallel zu einer Schiffsverbindung, mit Motor-Loren zu erreichen. Diese Lorenbahnen sind damit nicht nur Lebensadern dieser Halligen, sondern sicher auch eines der exklusivsten Verkehrsmittel in Deutschland, umso mehr sie nur sehr eingeschränkt für den öffentlichen Personentransport zur Verfügung stehen. Der Autor hat den früheren Postschiffer Fiede Nissen auf einer Reise über den Lorendamm von Dagebüll über Oland nach Langeneß begleitet. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Eine traumhafte Reise durch eine ganz besondere Landschaft, mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.

Schlüttsiel: Von dort geht es mit der Fähre „Hilligenlei“ zu den Halligen Hooge und Langeneß.

 

Das Wetter ist schlecht

Es war am frühen Abend, als sich das Handy meldete. Das Wohnmobil stand auf dem Parkplatz am Deich in Schlüttsiel, ich war am nächsten Morgen mit Postschiffer Fiede Nissen verabredet, der gegen neun Uhr mit seinem Arbeitsboot „Störtebekker“ im Fährhafen festmachen wollte. Fiede Nissen war zu dieser Zeit nicht nur Postschiffer mit deutschlandweiten Bekanntheitsgrad, sondern auch Bürgermeister der Halligen Langeneß und Oland.  Und genau wegen seines kommunalen Amts wollten wir uns treffen. Es ging um ein redaktionelles Projekt für den größten schleswig-holsteinischen Zeitungsverlag, hatte inhaltlich zu tun mit dem demographischen Wandel und der Zukunftsfähigkeit der nordfriesischen Inseln und Halligen.

Bei gutem Wetter holt Fiede Nissen die Postkisten mit der „Störtebekker“ in Schlüttsiel ab.

„Moin moin, tut mir leid, aber mit dem Boot kann ich morgen nicht fahren, die Wettervorhersage ist schlecht, es wird Nebel geben“, hörte ich Fiede Nissen über das Mobiltelefon sagen, „da muss ich die Lore nehmen.“ Ich hatte schon den Lorenwegen im Wattenmeer gehört, aber mir darüber bislang noch keine weiteren Gedanken gemacht, obwohl ich mich gut in der nordfriesischen Inselwelt auskenne. „Das heißt was für unsere Verabredung,“ hörte ich mich sagen. „Sie müssen nach Dagebüll kommen, zum Lorenbahnhof, ich beschreibe ihnen den Weg, da treffen wir uns dann morgen um neun.“ Alles klar. Auf nach Dagebüll, der nächste Fährhafen im Norden, nur wenige Kilometer von Schlüttsiel entfernt.

Die Postkiste für die Hallig Oland wurde bereits erwartet.

Ein bisschen abseits am Bauhof gelegen, in der Nähe des Fährhafens zu den nordfriesischen Inseln, ist der Dagebüller Lorenbahnhof zu finden. Zwei Gleise, ein paar merkwürdige Schienenfahrzeuge und Fiede Nissen waren schon aus einiger Entfernung zu sehen. In der Tat, es war ein wenig nebelig, vor allem aber arschkalt. „Moin moin, gut, sie haben sich warm angezogen“, begrüßte mich der selbst warm eingemummelte Postschiffer, der heute ja sozusagen zum Post-Lorenführer mutiert war.

 

Mit der Motor-Lore durchs Wattenmeer

Sieben Honda-PS ist seine eigene Lore stark, eine Cabrio-Variante, die bei Kälte oder Niederschlag schon einiges an Leidensfähigkeit von den Mitfahrern abverlangt. Die gelben Postkisten waren schon verladen, die werden von der Post immer dahin geliefert, wo Fiede Nissen aktuell startet. Also Schlüttsiel wenn „Störtebekker“ und Dagebüll, wenn die Lore für den Transport rollt. Fiede Nissen bevorzugt das Boot, und das hat einen ganz einfachen Grund. Anliefern muss er die Postkisten auf den Halligen Oland, Langeneß und Gröde. Und da liegt der Hase im Pfeffer, denn Gröde ist nur per Boot und nicht per Lore zu erreichen. Mit der Lore landen die Kisten für Gröde also auf Langeneß und müssen dann bei nächster Gelegenheit gesondert mit dem Boot nach Gröde gebracht werden.

Auf schmaler Spur durchs Wattenmeer: Postschiffer Fiede Nissen unterwegs.

Es geht los, langsam und ratternd, raus aus dem Ortsgebiet von Dagebüll, rauf auf den Deich, rein ins Wattenmeer, langsam verschwindet das Festland im Grau. Eiskalt pfeifft uns der Wind um die Nase, im Watt umzu ducken sich selbst die Möven vor der Kälte hinten den Lahnungen weg, so scheint´s jedenfalls.

Mittendrin im Nichts dann ein unplanmäßiger Stopp. Eine Wasserbaustelle im Nichts, quasi, der Lorendamm zwischen dem Festland, Oland und Langeneß wurde in den letzten Jahren um einiges erhöht. Der Klimawandel schlägt zu, die Fluten kommen höher, da müssen Deiche, Lahnungen und auch der Lorendamm in die Höhe wachsen.

Der Lorendamm zwischen Dagebüll, Oland und Langeneß musste erhöht werden.

 

 

Weit reicht der Blick

 

Allein im Wattenmeer.

Es ist eine unglaubliche Erfahrung. Mit dem kleinen flachen Gefährt über den schmalen Lorendamm Richtung offene See. Links und rechts nur Watt, vorne und hinten der Lorendamm mit dem schmalen Schienenweg, im Grau endend, garniert von böigem Wind und eisiger Kälte. Fiede Nissen erzählt von der Faszination seines Jobs und dem Leben auf den Halligen. Die Lorenwege nach Oland, Langeneß und Nordstrandischmoor dienen vorrangig den Fahrzeugen des Küstenschutzes, sind aber auch für die private Nutzung unverzichtbar. „Aber neue Loren dürfen nicht mehr gebaut werden“, so Nissen. Die Bahn ist einspurig, begegnen sich zwei Loren, dann hat die vom Küstenschutz immer Vorfahrt, begegnen sich private Loren, dann muss die zurückfahren, die weniger als die Hälfte der Strecke zurückgelegt hat. Das kostet dann richtig Zeit, aber so ist es halt. Fiede Nissen ist ein feiner Kerl, ein bisschen wortkarg vielleicht, aber genau so, wie man sich einen Halligbewohner vorstellt, der eben nicht klagt, dass seine Warft regelmäßig von den Nordseefluten umspült wird, der Weg zu Nachbarn und Festland zeitweise versperrt ist. „Land unter“ heißt das auf den Halligen. Davon wird auf worldwideontour.de ein andermal zu berichten sein.

Eine Warft auf der Hallig Langeneß.

Ich habe in meinem Leben eine Menge Verkehrsmittel und Reisen erlebt. War selbst Pilot, bin in x-verschiedenen Luftfahrzeugen auf diversen Kontinenten geflogen, lange Jahre Seefahrer und Kapitän gewesen, bin auf großen und kleinen U-Booten gefahren, eigentlich ein Leben lang weltweit unterwegs gewesen, viel erlebt, aber diese Reise mit Postschiffer Fiede Nissen auf einer Lore durch das nordfriesische Wattenmeer war wirklich etwas ganz Besonderes. Sagenhaft, diese Weite, diese Natur und Tierwelt, mitten im Wattenmeer zwischen Inseln und Halligen.

Im Sommer ist der Postkisten-Transport sicher angenehmer.

 

Die Lore: Ein exklusives Verkehrsmittel

Und besonders exklusiv war die Mitfahrt auch, denn eigentlich dürfen nur Halligbewohner auf den privaten Loren mitfahren. Für Touristen gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten in den Genuss einer solchen Fahrt zu kommen. Zum einen wenn sie als Gäste auf die Hallig Oland wollen, und zum anderen wenn sie Ferien auf Nordstrandischmoor gebucht haben. Nach Oland kommt man dann aber nicht von Dagebüll, sondern muss mit der Fähre von Schlüttsiel nach Langeneß fahren und wird dort von dem Gastgeber mit der Lore abgeholt. Der Loren-„Express“ nach Nordstrandischmoor hingegen startet in Lüttmoorsiel im Beltringharder Koog, nördlich von Husum. Und wer möchte, der kann sogar beim früheren Bürgermeister und Postschiffer Fiede Nissen Ferien machen.

Bei Fiede Nissen kann man auf der Hallig Langeneß auch Ferien machen.

Ferien auf einer Hallig sind ebenfalls eine ganz tolle Sache, aber das ist eine andere Geschichte, davon ein anderes Mal mehr. Wolfgang Henze

Info:
Inseln- und Halligen
Gästehaus Neuwarft (Ferienwohnungen beim ehemaligen Postschiffer Fiede Nissen)

 

[mapsmarker layer=“11″]

 

Related Images:

Reklame

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Ihre Privatspähre ist uns sehr wichtig. Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Schließen