Okay, Rendsburg hat etwa doppelt so viele Einwohner wie Haapsalu. Aber das Besucherinteresse an der 12.000-Einwohner-Stadt im estnischen Norden ist dennoch groß. Jedenfalls, wenn wir den Andrang auf dem Campingplatz Pikseke als Gradmesser nehmen. Schon im vergangenen Jahr, als wir hier einen Stopp einlegten, war der Platz proppevoll. An die großzügige Weite von Tehumardi gewöhnt, kann man glatt Platzangst bekommen. Sicher – ein Stadtcampingplatz ist meist enger. Aber in diesem Jahr war hier selbst der letzte Winkel belegt.
Dort, wo eigentlich Basketball gespielt werden sollte, standen Womos. Auf den Wegen standen Womos. Und wenn‘s vorne irgendwo gebrannt hätte, wäre aus dem hinteren Bereich kein Wagen mehr vom Platz gekommen.
Nun war jedoch guter Rat teuer. Denn schon im Jahr zuvor hatten wir alle Reiseführer und Karten nach einer Alternative durchforstet. Und hatten nix gefunden.
Daran denkend, dass man in Tallinn am Yachthafen stehen kann, machten wir uns auf den Weg zum Yachthafen Veskiviik von Haapsalu. Das war ein Abenteuer für sich, denn mit unserem Neun-Meter-Womo fuhren wir durch die Altstadt-Straßen. Kurz vor dem Yachthafen gab es tatsächlich ein schönes Schild, das sagte, dort könne man auch Campen. Allerdings erwies sich die Zufahrt schon als Herausforderung, denn die Bäume waren niedrig, der Weg schmal. Und dann sah es weit und breit nicht nach Stellplätzen aus. Es war überhaupt wenig Platz. Ein Schild informierte, dass der Parkplatz auch als Stellplatz gedacht war und 10 Euro kosten sollte. Nun – es war nicht schön. Es interessierte niemanden, dass wir da waren – also fuhren wir davon. Und überlegten, ob wir auf dem Parkplatz am Bahnhof nächtigen sollten.
Dieses Mal half uns der wunderbare Straßenatlas (!) weiter. Westlich der Stadt war „Paralepa rand“ (rand = Strand) ausgewiesen – mit einer Fülle von Angeboten: Hotel, einfacher Campingplatz, Schwimmbad usw. Der Platz ist einfach zu finden. Auf der Landstraße no. 9 (die von Süd-West in die Stadt hinein führt), gibt es kurz hinter dem historischen Bahnhof (wenn man aus der Stadt kommt) bzw. kurz vor dem Bahnhof (etwa Höhe der Tankstelle — kleiner Hinweis des männlichen Fahrers: Tanken lohnt sich hier. Das Benzin ist zwar genauso teuer wie anderswo, aber das Dekolletee der Kassiererin einfach unglaublich) eine Abzweigung: ausgeschildert ist unter anderem „Fra Mare“. Dieser Beschilderung folgen. Es geht eine ganze Weile durch den Wald, nur ab und zu sieht man ein Haus. Aber Hänsel und Gretel haben sich hier nicht verirrt. Es sei denn, sie lassen sich von einem weiteren Wegweiser verwirren (siehe Foto oben). Wir folgten zuerst dem Campingplatz-Hinweis. Und landeten im Nirwana. Also nochmals: immer in Richtung „Fra Mare“ fahren.
Das „Fra Mare“ ist ein großer Hotelkomplex (Holzhäuser), mit Schwimmbad und Spa-Bereich. Diesen Komplex rechter Hand liegen lassen und die Straße bis zum Ende durch fahren. Man gelangt auf einen großen Schotterparkplatz, an dessen Ende ein weißer Zaun ist und man nach einigem Suchen auch das Schild „PARALEPA CAMPING“ sieht.
Wer nicht zu viel erwartet, wird auch nicht enttäuscht. Es gibt einige Stromanschlüsse, eine feste grüne Wiese, wohl auch Toiletten- und Duschanlagen (die wir allerdings nicht genutzt und nicht überprüft haben). 10 Euro wollten die jugendlichen „Parkwächter“ für eine Nacht mit Strom für das Womo plus zwei Personen. Das ist nicht billig. Aber andererseits okay. Nachdem die letzten Badegäste schotterknirschend vom Parkplatz gefahren waren, kehrte wunderbare Ruhe ein.
Wir machten einen Gang zum Strand‚ der mit einem Basketball- und Volleyballfeld ausgestattet ist und kleinen Umkleidekabinen. Man blickt auf die Bischofsburg und Altstadt. Und Ruderboote kann man auch mieten. Zum Hotel sind es nur wenige Schritte; dort könnte man auch einer Terrasse etwas essen – allerdings reizte uns die sehr durchschnittliche Speisekarte nicht.
Zur Campingplatz-Anlage gehört auch ein Imbiss. Hier tobt am Wochenende sicherlich der Bär, denn wir hatten den Eindruck, das Paralepa rand für die Bewohner der Umgebung große Anziehungskraft hat.
Bleibt die Frage: Wem gehört der Platz? Warum wird er nicht besser bewirtschaftet? Und nicht besser beworben? Steckdosen waren reichlich vorhanden; wäre die Fläche besser von Ästen befreit, könnten hier locker zehn Womos stehen, ohne sich in die Quere zu kommen – oder auch mehr.
Wenn man sieht, wie überbelegt Pikseke ist, ist der Bedarf ja vorhanden. Hier gibt es also noch Handlungsbedarf von Seiten der Stadt.
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