Die Masken sind aus Holz geschnitzt und furchteinflößend. Aber sie bereiten auch einen Heidenspaß – zum Beispiel wenn die „Maschkera“ am „Unsinnigen Donnerstag“ durch die Straßen von Mittenwald ziehen. Die kleine Hexe unter den Zuschauern trägt ein rotes Jäckchen, eine Schürze und hat eine ziemlich lange Nase. Vor lauter Langeweile fegt sie mit ihrem Besen hin und her. Denn es ist erst halb zwölf. Noch dreißig Minuten, bis der Faschingsumzug beginnt. Doch die Menschen stehen bereits dicht gedrängt in der Innenstadt von Mittenwald. Der Umzug am „Unsinnigen Donnerstag“ – wie die Weiberfastnacht hier heißt – ist ein Brauch aus heidnischer Zeit, um den Winter zu vertreiben und heute eine Touristenattraktion.
Punkt zwölf ertönt der Schellenklang. Eine Gestalt in hellem Gewand mit hellblauem Jäckchen und gleichfarbiger merkwürdiger Kopfbedeckung erscheint, dicht gefolgt von strammen Kerlen in Lederhosen, deren Maske einen maskulinen Bayern zeigen. Die Figur in Hellblau ist der Vortänzer der Schellenrührer. Zwölf Mann sind es und jeder von ihnen symbolisiert einen Monat. Auf ihren Rücken geschnallt tragen sie jeweils drei große Kuhglocken. Damit die Klöppel gleichzeitig und gleichmäßig anschlagen, müssen sie sich auf eine bestimmte Art fortbewegen: „Rühren“ nennt man das. Und der Vortänzer gibt den Takt an.
Die Zuschauer in Mittenwald haben ihre Kameras gezückt. Es wird mit Tablets und Handys fotografiert, auch gefilmt. Das Regionalfernsehen ist ebenfalls dabei. Die kleine Hexe fegt nicht mehr, sondern schaut auf ihre großen „Kolleginnen“. Sie haben gleichfalls lange Nasen. Mit ihren Reisigbesen fegen sie den Schnee und damit den Winter hinweg. Weil man nicht genau weiß, ob die Winterdämonen die Austreibung übel nehmen, wollen die Menschen unerkannt bleiben und haben vor Jahrhunderten bereits Holzmasken geschnitzt, die ihre Gesichter verbergen. Die Masken wurden in den Familien stets weiter vererbt.
Ein Brief aus dem Jahre 742 belegt den alten Brauch. Der heilige Bonifaz kritisierte darin den heidnischen Spaß. Ohne Erfolg. Lange Zeit war die Sitte, die Masken zum Winteraustreiben zu tragen, zwar in Vergessenheit geraten. Aber in der Zugspitz-Region (Mittenwald, Garmisch, Murnau und Krün) ist „Maschkera-Gehen“ seit einigen Jahren wieder populär. Am Dreikönigstag werden die Masken (Larven) hervor geholt und dann bis zum Faschingsdienstag getragen: Die „Maschkera“ ziehen in diesen Wochen durch die Kneipen – und als Höhepunkt am „Unsinnigen Donnerstag“ durch die Stadt.
Am Ende des Umzuges werden sich die „Maschkera“ in den Kneipen vergnügen. Doch unerkannt müssen sie auch dann bleiben. Dabei ist es gar nicht so einfach, mit der Maske zu trinken. Einige der Larven enden oberhalb des Mundes – zum Beispiel für den Tuba-Spieler. Der gehört zur Musikkapelle, die die „Untersberger Mandl“ begleitet, überdimensionale Kobolde mit riesigen Hüten.
Der Himmel ist strahlend blau, die Sonne wärmt. Jetzt kommen die „Jacklschutzer“. Der Jackl ist eine Puppe, die die „Maschkera“ mit Hilfe einer „Bloch’n“ (Heuplane) in die Luft schleudern und wieder auffangen. Gut sieht es aus, wenn der Jackl dem blauen Himmel entgegenfliegt. Und gewaltig klingt es, wenn die „Goaßlschnalzer“ auftreten. Dann erscheinen ein Mohr mit spitzen Schuhen und einige Hexen und drängen die Zuschauer zurück. Übrigens: Absperrgitter gibt es nicht. Zu Beginn wird den Menschen in der ersten Reihe ein Tau in die Hand gedrückt, dass dann die Absprerrung bildet. Mit dem Hexenbesen wird nachgeholfen, wenn die Leute nicht weichen wollen. Denn es kann gefährlich werden, wenn die „Goaßlschnalzer“ auftrten. In ein buntes „Fleckerlgwand“ gekleidet, schwingen diese Maschkera riesige Peitschen. Es knallt laut. Da muss der Winter einfach Angst bekommen und flüchten…
Übrigens: Die kleine Hexe wird – genau wie die großen – ein Junge gewesen sein. Denn auch hinter jenen Maschkera, die Frauen darstellen, steckt immer ein Mann. „Mädchen ist das Tragen der Masken verboten“, verrät eine Kennerin unter den Zuschauern. Manche tun es dennoch. Sie dürfen sich nur nicht erwischen lassen.
Informationen: www.mittenwald.de
und www. servusmagazin.de > Februarausgabe: „Lärmen fürs Leben“ – über die Schellenrührer von Murnaus
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