Tallinn: Alte Stadt, junges Feeling

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Ja, wo ist sie denn? Wir haben viel gefunden. Aber die „Kulturhauptstadt 2011“, die hat sich hartnäckig vor uns versteckt. Zwar gibt es eine Website mit vielen Tipps, auch einen extra Flyer. Doch als wir uns auf die Suche nach dem sogenannten „Kulturkilometer“ machten, wurden wir nicht fündig. Überhaupt: Wir haben wenig Hinweise auf die Kulturhauptstadt entdeckt. Anderen Reisenden ging es ebenso.

Nun hat Tallinn ja aber auch ohne dieses spezielle Event Kultur im Überfluss. Allein für die vielen Museen bräuchte man eine ganze Woche – mindestens.Ich muss gestehen – wir haben es nicht in ein einziges geschafft. Dafür waren zwei Tage einfach zu kurz. Was in beim nächsten Besuch aber auf jeden Fall sehen möchte: Das Kumu Art Museum (Kumu kunstimuuseum)ist das neueste und größe Museum in Estland – heißt es. Das gelte sowohl für die Kollektion als auch für das Gebäude. So nachzulesen in der Design Map (Disainikaart), die es kostenfrei bei der Tourist-Info gibt. Hier sind 56 Punkte verzeichnet – Museen, aber auch Restaurants, Geschäfte, Galerien. Allein diese Karte macht deutlich, wie kreativ und umtriebig die Design- und Kunstszene in der alten Hansestadt ist.

Reichlich Kunstgewerbe wird in Tallinn angeboten
Reichlich Kunstgewerbe wird in Tallinn angeboten

So alt die Mauern der Häuser sind – so jung ist das Leben in Tallinn. Diese Stadt ist in der Neuzeit angekommen, im Hier und Jetzt. Aber ohne den mittelalterlichen Charme einzubüßen. So ist ein einmalige Melange entstanden. Allerdings müssen die Stadtmanager auch aufpassen, dass nicht der Disneyland-Effekt eintritt – dass alles wirkt, als sei es nur für die Touristen inszeniert. Es ist eine Gratwanderung, die noch gelingt.

Kunstgewerbe in der Stadtmauer
Kunstgewerbe in der Stadtmauer

Wunderbar mit neuem Leben gefüllt haben einige Kunsthandwerkerinnen das Haus in der Vene 12: Die St. Katharinengilde ist ein Zusammenschluss von dreizehn Frauen. Den Namen haben sie der St. Katharinenkirche entlehnt – eine Gilde dieses Namens gab es bisher nicht. Aber Gilden gab es im Mittelalter viele, wovon auch noch viele Häuser (vor allem in der Piik) zeugen.

In dem alten Haus ist Keramik ausgestellt, ebenso wie Textiles, Patchwork, lederne Bücher, Hüte und Schmuck. Einige der Ateliers befinden sich auch hier. Ich habe mir einen schönen und ein bisschen extravaganten Schal gekauft – nein, ein Foto gibt es noch nicht. Es ist einfach zu warm…

Dann hatten wir ein ganzes Restaurant für uns allein: Das La Bottega in der Vene 4. Ein Italiener in Tallinn? Ja – warum denn nicht? Georgische Küche ist ebenso vertreten wie türkisches Kebab, es gibt ein australisches Steakhouse und das amerikanische Spezialitätenrestaurant mit dem großen M. Das La Bottega hätten wir nicht entdeckt, wenn uns die Design-Map nicht darauf hingewiesen hätte – so unscheinbar ist das Äußere des Hauses. Innen erwartet den Besucher ein ausgezeichneter Mix von historischer Architektur und italienischem Feeling (dafür gab es 2008 von der Estnischen Vereinigung der Innenarchitekten den Preis für das beste historische Interieur). Die Steinwände sind zu sehen, eine Treppe aus Kiefernholz aber in altem Stil nachgebaut, dunkle Weinregale ragen meterhoch bis unter die Balkendecke, auf den Tischen die typisch karierten Trattoria-Tischdecken.

Das Stadttor
Das Stadttor

Das Essen war eine Offenbarung! Nicht die übliche verdeutschte italienische Küche, sondern Wildschweinbratwurst auf Tomatensoße – jaaa, Bratwurst!! – mit Rosmarinkartoffeln, dazu gebratene Pilze mit Chili. Ich hatte ein Meeresfrüchte-Risotto, das einfach delikat war. (Und jetzt denken wahrscheinlich alle: Mein Gott, die sind ja nur am Futtern…)

Aber zurück auf die Straße. Wir halten natürlich immer die Augen offen und beobachten alles ganz genau. So sind uns die vielen jungen Frauen (also zwischen 20 und 30) mit kleinen Kindern aufgefallen. Und nicht nur mit einem, nein oft sogar mit zweien oder sogar drei Kindern. Am Wochenende sind sie gemeinsam mit den Vätern unterwegs, die auch die Kinderwagen schieben. Uns würde noch mal interessieren, was der estnische Staat unternimmt, dass es so „in“ ist, Kinder in die Welt zu setzen….

Wie gesagt: Tallinn ist eine moderne und junge Stadt – in altem Gewand.

Gemeinsames Autorenportrait sab whe_bearbeitet-1

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