Die Burg von Kuressaare wird in unserem Reiseführer als „eines der bedeutendsten Baudenkmäler des Baltikum“ angepriesen. Im vergangenen Jahr konnte uns dies dennoch nicht verlocken. Die Hitze war zu groß. Was wir nicht bedacht hatten: Hinter den meterdicken Mauern bleibt es selbst bei tropischen Temperaturen kühl.
Also – bedeutendes Baudenkmal. Warum? Weil die Burg in der Keimzelle eine Bischofsburg ist, so vor rund sechshundert Jahren erbaut. Diese Art von Burgen war im Gebiet des Deutschen Ordens damals weit verbreitet. Obwohl sehr wehrhaft, hat es nur die Burg von Kuressaare geschafft, bis heute fast unverändert bestehen zu bleiben. Alle anderen, so verrät das Faltblatt, liegen in Trümmern oder sind stark umgebaut worden.
In der ersten Etage macht der rote Kreuzgang deutlich, dass hier nicht nur gekämpft, sondern auch gebetet wurde. Etliche Räume waren die Unterkunft des Bischofs. Zu beneiden war er dennoch nicht – denn nur einer davon ließ sich mit einem hohen Kamin beheizen. Es muss hier meist elendig kalt gewesen sein *bibber*
Man kann auch auf den Wachtturm steigen. Die Treppen haben unterschiedliche Höhen, auf Kopfeshöhe ragen dicke Felssteine in den Gang und es ist ziemlich duster. Hier hat man darauf verzichtet, alle Winkel auszuleuchten. Und auf diese Weise bekommt man einen guten Eindruck, wie gemütlich es einst gewesen sein muss – vor allem, wenn dann noch die Fackeln an den Wänden rußen!!
Im oberen Stockwerk befindet sich ein Museum zur Geschichte der Stadt. Gar nicht schlecht gemacht, wenn man bedenkt, dass die Ausstellung schon etliche Jahre auf dem Buckel haben muss. Erläuterungen zu den Objekten gibt es leider nur auf Estnisch und auf Russisch (!). Hier besteht eindeutig noch Nachbesserungsbedarf – auch wenn es schon Infoblätter in verschiedenen Sprachen mit allgemeinen Hinweisen gibt. Aber damit darf man wohl rechnen, schließlich werden gerade die Außenmauern mit EU-Mitteln instand gesetzt. Da wird das Innere wohl folgen…
Zahlreiche Schwarzweiß-Fotos aus der Zeit von 1913 zeichnen ein Bild des harten Lebens auf der Insel. Wenn man sieht, mit welch primitiven Werkzeugen damals noch für Nahrungsmittel gesorgt wurde, mag man kaum glauben, dass diese Zeit erst knapp hundert Jahre zurück liegt. Aber damals musste fast alles selbst hergestellt und erzeugt werden. Da sorgten keine Containerschiffe und Laster dafür, dass der Lebensmittelladen stets gut gefüllt ist.
Später saßen wir dann in einem Straßencafé in der Innenstadt. Jugendliche auf Segways rasten an uns vorbei. Zur Erinnerung: Das sind diese Roller auf zwei Rädern. Hochmodern. Und das hier. Aber der Tourismus nimmt zu. Es ist deutlich zu merken. Und während wir auf die bunten Steinfassaden der Bäderarchitektur blickten, fragten wir uns, wie es hier wohl noch vor 25 Jahren ausgesehen haben mag. Als die Insel Sperrgebiet war und selbst die Einheimischen nur mit Visum ein- und ausreisen konnten…
Vielleicht ist es auch dieser Tatsache zu verdanken, dass in der Stadt so viele Holzhäuser stehen geblieben sind. Auf jeden Fall hat die Stadt scheinbar nahtlos den Anschluss an ihre fast 180-jährige Tradition als Kurort anschließen können. Am Hafen gibt es einige moderne Hotels.
Auf jeden Fall können wir jetzt sagen: Ein Besuch der Burg ist schon lohnenswert. Und beim nächsten Mal werden wir die Infotafel genauer lesen, die die Legende vom eingemauerten Ritter erzählt, der immer noch ein tristes, staubiges Dasein in den Katakomben fristet.
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